Langbeine sind vor allem furchteinflößend

Als begeisterter Horrorfilm-Enthusiast und jemand, der unzählige Stunden damit verbracht hat, sich mit dem Genre zu beschäftigen, kann ich getrost sagen, dass „Longlegs“ von Osgood Perkins eine gruselige und zum Nachdenken anregende Ergänzung des modernen Horrorkanons ist. Der einzigartige Stil und die beunruhigende Atmosphäre des Films fesselten mich eine Stunde lang völlig und ließen mich voller Angst und Faszination zurück.

Osgood Perkins‘ verstörender Film „Longlegs“ fesselt das Publikum mit seiner beunruhigenden Anziehungskraft eine Stunde oder länger. Die Wirkung des Films beruht nicht nur auf seinen gut getimten Jump-Scares oder einer bizarren Handlung. Stattdessen manipuliert Perkins gekonnt Kameraführung und Schnitt mit unheimlichem Touch. Er nimmt gewöhnliche Handlungsstränge über einen FBI-Agenten, der einen Serienmörder jagt (ähnlich wie „Das Schweigen der Lämmer“), und spielt sie an alltäglichen Orten wie Vorstadthäusern und leeren Bauernhöfen. Allerdings erzeugt die Art und Weise, wie er diese Szenen einrahmt und aufnimmt, ein Gefühl wie aus einer anderen Welt. Seine Kompositionen sind ungewöhnlich und seine Blickwinkel ungewöhnlich weit. Das Ergebnis ist ein Film, der gleichzeitig vertraut und fremd wirkt, mit einem Lynchschen Sinn für das unheimlich Surreale.

Als erfahrener Filmkritiker mit großem Interesse an Psychothrillern finde ich die Handlung dieses Films faszinierend und regt zum Nachdenken an. Die Art und Weise, wie Maika Monroe Lee Harkers Charakter darstellt, verleiht der Geschichte eine zusätzliche Spannungsebene. Ihre zappelige Nervosität und ihr angespannter Vortrag erzeugen ein unbehagliches Gefühl, das Sie in Atem hält.

Einfacher ausgedrückt ist „Longlegs“ ein zeitgenössischer Horrorfilm, in dem sich das Böse unter uns ausbreitet und verstärkt, anstatt aus typischen Quellen wie Slashern oder Serienmördern zu kommen. Der wahre Schrecken liegt in der Möglichkeit, dass normale Menschen der Gesellschaft als Ganzes Schaden zufügen können. Dieses Konzept ist nicht neu; Filme wie „Invasion of the Body Snatchers“, „Night of the Living Dead“ und Kiyoshi Kurosawas „Cure“ haben sich mit diesem Thema beschäftigt. In deutschen expressionistischen Thrillern aus der Weimarer Zeit wurden oft mysteriöse Figuren dargestellt, die in der Lage waren, die Gedanken anderer zu kontrollieren und sie zu abscheulichen Taten zu bewegen. Diese fiktiven Charaktere wie Caligari, Mabuse und Nosferatu waren Vorboten für die Entstehung realer Verrückter im Laufe der Geschichte. Die faszinierendsten Horrorkonzepte der letzten Jahre scheinen auf der Idee zu basieren, dass unsere Freunde und Nachbarn von schwer fassbaren, mächtigen Kräften dazu getrieben werden könnten, großes Böses zu begehen. Horror dient wie immer als Spiegel, der die Angst der Gesellschaft voreinander widerspiegelt.

In einer faszinierenden Wendung verleiht das unausgeglichene Verhalten von „Longlegs“ in dieser Geschichte dem Konzept Tiefe. Perkins vermittelt gekonnt wesentliche Details auf faszinierende und beunruhigende Weise. Ein ungewöhnliches Serienmörder-Rätsel entfaltet sich, als uns Longlegs vorgestellt wird – allerdings mit einem bekannten Gesicht, Nicolas Cage, das im Vorspann enthüllt wird. Perkins hält die ganze Zeit über die Spannung aufrecht, was uns daran hindert, uns wohlzufühlen, und uns auf Trab hält, was vielleicht Harkers eigenen inneren Aufruhr widerspiegelt.

„Longlegs“ schafft es, über die gesamte Länge eine beunruhigende Atmosphäre aufrechtzuerhalten, doch leider erliegt er, wie viele Horrorfilme, im Höhepunkt dem Bedürfnis nach Erklärungen. Der letzte Akt versinkt in übermäßiger Darlegung, liefert eine überwältigende Menge an Informationen und lässt uns gleichzeitig verwirrt zurück. Regisseur Perkins versucht, die Geheimnisse der Handlung zu lüften und gleichzeitig seine künstlerische Vision zu bewahren, doch die Spannung zwischen Form und Inhalt wird schließlich unhaltbar. Während Horrorfilme von der Angst vor dem Unbekannten leben, lassen uns wahre Meister des Genres rätseln und verlängern den Schrecken noch lange nach dem Abspann. „Longlegs“ ist die meiste Zeit unbestreitbar furchteinflößend und wird Horror-Enthusiasten sicherlich besänftigen. Die potenzielle Größe, die einst erreichbar schien, verschwindet jedoch, wenn der Film zu Ende geht.

Weiterlesen

2024-07-22 19:27